Mittwoch, 11. September 2013

Bratenbrötchen - Angstzustände beim Tierarzt


Leider gibt es in der Praxis einige Hundepatienten, die enorme Angst vor mir bzw. vor der Praxis haben. Zum Glück sind das nicht allzu viele. Die meisten kommen mehr oder weniger willig herein und lassen sich untersuchen und behandeln. Nun kommen auch viele meiner Bekannten und Freunde mit ihren Tieren zu mir und da ist es auffällig, dass da die meisten nur in der Praxis Angst vor mir haben, privat bei uns zuhause, oder bei den Besitzern zuhause aber nicht. Ich kann das ganz gut nachvollziehen, ich sehe meinen Zahnarzt auch lieber privat als dienstlich ;-)

Es gibt da aber eine Ausnahme, die wirklich extrem ist. Roca ist eine stattliche Berner-Sennen-Hündin. Ich kenne die Gute, seit sie vor 4 Jahren als Welpe zum ersten Mal zur Impfung bei mir war. Herrchen und Frauchen kenne ich schon seit fast 13 Jahren; unsere Töchter sind gleich alt und haben schon gemeinsam den Krabbelkreis besucht. Sehr zu Rocas Bedauern sieht man sich also auch immer mal privat.

Im Gegensatz zu den meisten Patienten, die mich privat behandeln wie jeden anderen Menschen auch, ist Roca da doch etwas speziell. Sie sieht mich, weicht sofort zurück und zieht sich entweder in ihr Körbchen im Haus, oder in ihre Hundehütte im Hof zurück. Bis ich gehe, bleibt sie dort und kommt erst wieder raus, wenn ich endlich gehe. Wenn ich sie irgendwo anders treffe, dann hält sie stets soviel Abstand zu mir ein wie die Leine reicht, und schaut, dass Herrchen oder Frauchen stets zwischen uns stehen. Da hilft alles Schmeicheln und Locken nichts, und selbst Leckerchen können sie da kaum beeindrucken.

Aber ... und jetzt kommt’s: letztes Jahr gab es zum Jubiläum unserer Großgemeinde ein tolles Fest am Wölfersheimer See. Gleich drei Tage lang haben große und kleine, junge und alte, und eben auch zweibeinige und vierbeinige Wölfersheimer gefeiert. Bei einer der Feiern saß ich auf einem Podest, als zwei befreundete Familien mit ihren Hunden vorbei kamen. Die eine Hündin war Roca, die andere Raki. Raki hat auch Angst vor mir in der Praxis, aber auch nur in der Praxis, sonst mag sie mich ganz gerne und ist sehr verschmust. Sie kam auch dieses mal gleich und ließ sich kraulen. Roca dagegen hatte sich taktisch hinter Herrchen versteckt. Mein Mann brachte mir ein Bratenbrötchen. Schnell verbreitete sich der köstliche Duft und siehe da: Roca kam vorsichtig näher. Als sie bis auf zwei Schritte an mich herangekommen war, machte sie einen gaaaaanz langen Hals und schnuffelte vorsichtig in Richtung meines Bratenbrötchens. "Aha", dachte ich mir! Die Besitzer waren einverstanden und so habe ich ihr einen kleinen Bissen abgegeben. Mhhhm, das hatte wohl gut geschmeckt, denn sie kam gleich näher und setzte sich vor mich. Sie hat immer weiter das Bratenbrötchen hypnotisiert, oder war es umgekehrt und das Bratenbrötchen hat Roca hypnotisiert? Ich konnte sogar ihren Kopf streicheln. Wir lachten alle. Dann aß ich erstmal meinen Mittagsschmaus und die letzten beiden Bissen teilte ich dann unter den beiden Damen auf. Raki fand das zwar auch lecker, war aber eher an den Streicheleinheiten interessiert. Kaum war das leckere Bratenbrötchen verschwunden, war der Bann leider gebrochen und Roca zog sich wieder hinter Herrchen zurück.

Vorgestern am Ostermontag habe ich Roca wieder mal gesehen. Ich war gerade im Hof, als die Familie mit ihr am Haus vorbeilief. Roca wechselte spontan die Straßenseite und ging ganz dicht an den gegenüberliegenden Häusern vorbei, immer nervös über die Straße schauend. Klar haben wir erstmal gelacht und dann haben wir uns an das Bratenbrötchen erinnert. Für solche Fälle sollte man immer eines in der Tasche haben. Oder die Besitzer müssen eines mitbringen. In diesem Fall stammte das übrigens wirklich ausserordentlich leckere Bratenbrötchen nämlich von dem Italiener, der sein Ristorante gleich bei den Besitzern um die Ecke hat.