Donnerstag, 7. Mai 2015

Termine und Pünktlichkeit - eine vergessene Tugend?

Kennen Sie das auch: Sie verabreden einen Termin und sie warten, weil Ihr Terminpartner nicht pünktlich ist, oder schlimmer noch: gar nicht erscheint? Sowas ist ärgerlich! Und manchmal auch teuer!

Wir haben in der Praxis von Anfang an Terminsprechzeiten eingeführt, denn wir kennen aus der Humanmedizin ja selbst das lange und meist unnötige Warten in überfüllten Wartezimmern. Da sind zwei bis drei Stunden keine Seltenheit bei offener Sprechstunde. Für mich ein Zeichen von schlechtem bis nicht vorhandenem Zeitmanagement. Außerdem kann ich mich selbst noch an viele Stunden im Wartezimmer unseres damaligen Tierarztes erinnern, als ich selbst eben noch kein Tierarzt war. Schlimm ist da nicht nur die verschwendete Zeit, sondern auch die Verlängerung des Ungemachs für die tierischen Patienten: Welcher Hund sitzt schon gerne länger still herum, besonders wenn ihm die ganze Situation eh schon unheimlich ist. Was glauben Sie, wie sich eine Katze, die in ihrer Box eingesperrt sitzt, fühlt, wenn sie dann noch stundenlang von Hunden beobachtet oder gar angekläfft wird? Auch Kaninchen sind im Wartezimmer zusammen mit den beängstigenden Gerüchen ihrer Erzfeinde Hund und Katze nicht gerade entspannt. All das war seinerzeit Grund genug für unsere Entscheidung für Terminsprechzeiten.
Unsere Hundeecke

Das heißt natürlich nicht, dass man tage- oder gar wochenlang im Voraus planen muss. Viele unserer Termine werden kurzfristig innerhalb eines Tages oder auch innerhalb der laufenden Sprechzeit ausgemacht. Und auch Notfälle werden immer je nach Fall akut eingeschoben. Wenn sich so mal Termine verschieben, ist das meist noch vertretbar und wir bemühen uns auch, notfalls Folgetermine zum Impfen oder Kontrollen zu verschieben, damit keine zu lange Warterei für unsere Tierpatienten entsteht.

Ansonsten versuchen wir, die Wartezeit möglichst angenehm zu gestalten. Es stehen Leckerlie und Wassernäpfe für die Hunde bereit. Es gibt die Möglichkeit, besonders ängstliche Katzen evtl. im Nebenraum abzustellen. Besitzer können auf Wunsch gerne eine Tasse Kaffee, Tee oder ein Glas Wasser bekommen. Es gibt ein WC, sogar mit Wickeltisch, und im Wartezimmer gibt es eine kleine Kinderecke. Es liegt reichlich tierische Lektüre aus. Seit Neuestem haben wir auch einen Monitor, der tonlos und unaufdringlich sachliche Informationen zu Tiererkrankungen und Diagnostik sowie Behandlung anbietet. Soviel zu unserem Service!
Kinderecke, Wassernäpfe, Kaffeemaschine und TV-VET

Das Ganze steht und fällt aber mit der Kooperation der Tierbesitzer. Leider gibt es immer wieder Besitzer, die eben nicht vorher anrufen, sondern direkt in die Praxis fahren. Bei akuten Problemen müssen diese Patienten dann sofort eingeschoben werden, und so kann schon mal eine komplette Sprechstunde aus dem Ruder laufen. Ärgerlich für diejenigen, die ordentlich einen Termin vereinbart haben. Und ein Drahtseilakt für uns, da wir versuchen müssen, ALLEN gerecht zu werden. Daher die Bitte: melden Sie alle Besuche vorher an. Ich gehe davon aus, dass dies in allen Praxen von allen Kollegen ebenfalls gerne gesehen wird :-)

Ein für uns noch viel ärgerlicheres Problem sind diejenigen, die einen Termin platzen lassen, die einfach nicht kommen, oder verspätet. Da entstehen uns Leerzeiten, die ja teuer bezahlt werden müssen (Stichwort Personalkosten), denn nicht immer lässt sich in der Zeit Papierkram aufarbeiten, oder mal ein Regal abstauben. Ärgerlich wird es besonders, wenn der Patient dann doch noch verspätet auftaucht und zwischen die späteren Termine eingeschoben werden muss, die Folgetermine sind i.d.R. ja schon vergeben. Da passiert es dann meist, dass wir Überstunden anhängen müssen. Ja richtig, die muss das Personal ja auch bezahlt bekommen!

Der Grund, weshalb ich Ihnen heute davon berichte, ist der, dass wir in der letzten Zeit ganz besonders viele solcher Fälle verzeichnen mussten. Und das zieht sich durch alle Praxisbelange: Sei es der OP-Termin von 1 1/2 Stunden, der nicht abgesagt wird; die seit drei Wochen vereinbarte Kastration für 9:00 Uhr, deren Besitzer dann um 9:30 Uhr anruft, dass er es sich anders überlegt hat; der 45-Minuten-Termin für zwei Tiere mit Ultraschall und verschiedenen Erkrankungen, der gar nicht auftaucht; der superdringende Notfall, der sofort in eine Lücke eingeschoben werden könnte, aber dann erst nach 90 Minuten(!!!) - wohlgemerkt aus dem Nachbarort - auftaucht und die ganze Sprechstunde sprengt; der 9:00 Uhr Impf-Termin, der um 10:00 Uhr erscheint, wenn wir bereits mit dem nächsten Patienten im OP sind, und der sich wundert, dass er jetzt eine Stunde warten muss, bis wir halt mit der OP fertig sind. Ich kann ja schlecht den Hund mit offenem Bauch auf dem Tisch liegen lassen, damit Fifi "nur mal schnell seine Spritze" bekommt. Das ist übrigens ein oft gehörter Satz von den Terminlosen ... nur gehört zu jeder Spritze auch eine Untersuchung, und eine - wenn auch vielleicht kurze - Beratung dazu. Das dauert halt auch i.d.R. 10 bis 20 Minuten, und sie vermuten richtig, ich habe genau einen Kopf und zwei Hände, bin also gezwungen, alles nacheinander zu erledigen :-), jeder Folgetermin verschiebt sich dann vorneweg um genau diese 10 bis 20 Minuten.

Schlecht für die Terminplanung sind auch die Besitzer, die zur Impfung des einen Tieres mit zweien erscheinen und den Worten "ich habe mal noch die Mimi mitgebracht, die ist heute nicht so fit", das sind dann meist nicht nur 10-15 Minuten Mehraufwand, sondern auch mal mit weiterführender Diagnostik eine gute Stunde. Auch berücksichtigen manche nicht, dass wir je nach Vorbericht die Zeiten kalkulieren. Zum Krallen schneiden oder Analbeutel entleeren sind das 5 min. Wenn dann plötzlich, "wo wir schonmal da sind" noch eine komplette Untersuchung gemacht werden soll, oder der Besitzer schon immer mal wissen wollte, was die Für und Wider einer Kastration sind, oder zur 15 Minuten-Impfung eine 2-seitige Liste mit Fragen zur Haltung, Ernährung, Erziehung u.v.m. ausgepackt wird, ist das nicht günstig für den Verlauf der Sprechstunde. Es empfiehlt sich halt, sowas vorher anzukündigen. Wir beraten Sie gerne, aber genau das kostet Zeit - Zeit, die eingeplant werden muss.

Was uns in der letzten Zeit besonders erschüttert hat, waren allerdings nicht mal Patientenbesitzer. Ein Praktikant hatte sich für drei Wochen Schulpraktikum angemeldet. Am Montag sollte es losgehen, der Praktikant erschien nicht und hatte auch nicht abgesagt. Das ist schade, denn da wir nur je einen Praktikanten gleichzeitig annehmen können, müssen wir auch häufig Interessenten absagen. Ganz blöde war es dieses Jahr am "Boy's Day". Da hatten wir schon seit dem Winter unsere sechs Plätze vergeben und bereits eine Liste für 2016 begonnen. Und dann erkrankt ein Junge ... gut, das soll vorkommen, und ist auch völlig ok, aber dass ein weiterer Junge einfach nicht auftaucht, das ist sehr ärgerlich und äußerst unsozial, den anderen Jungs gegenüber. Plätze in Tierarztpraxen sind nunmal sehr begehrt. Es nehmen auch nur wenige Kollegen am "Boy's Day" teil und da er bundesweit an nur einem Tag stattfindet, können Sie sich sicher vorstellen, wie überlaufen wir sind. Immerhin: die vier Jungs, die da waren, waren eifrig dabei! Auf dem Bild sieht man sie die Zahnstation erkunden und die Politur der Fingernägel funktioniert genau so wie die so wichtige Politur der Zähne nach einer Zahnsteinentfernung. Die Jungs waren beeindruckt, wie glatt ihr polierter Nagel hinterher war im Vergleich zu den unpolierten.
beim Boy's Day 2015
Der absolute Hammer aber war eine junge Dame, die sich um den von uns ausgeschriebenen Ausbildungsplatz zur Tiermedizinischen Fachangestellten beworben hatte. Sie erschien zum Vorstellungsgespräch - alles top, wir vereinbarten ein Schnupperarbeiten - alles super, auch die Rückmeldungen ihrerseits waren sehr enthusiastisch. Nach Ablauf anderer Gespräche rufe ich die junge Dame an und sage ihr telefonisch den Ausbildungsplatz zu, sie freut sich sehr und ich schicke Ihr vorab schonmal eine Kopie des Ausbildungsvertrages zu (ein Formvertrag der Tierärztekammer Hessen) und bitte darum, mich zurückzurufen, um einen Termin für die Unterschrift auszumachen. Ja, sie freue sich sehr! Und das war's!!! Sie hat sich nie wieder gemeldet!!! Was sind das für Umgangsformen? Kann man nicht mal zum Telefon greifen und absagen? Klar hat ein Bewerber mehrere Eisen im Feuer, aber ein Einzeiler per Mail hätte jetzt sicher nicht wehgetan. Wir hatten zum Glück noch nicht allen unseren Bewerbern abgesagt und konnten so die Stelle dann doch noch glücklich besetzen. Der Vertrag ist gerade unterzeichnet und heute gehen dann von uns die Absagen an die restlichen Bewerber, die noch in der engeren Wahl waren, mit der Post raus.

Witzig ist, dass mein Mann mir zeitgleich von einem ähnlichen Hammer berichtete. Er ist in seiner Firma als Ersthelfer gemeldet und muss so regelmäßig den Kurs für Ersthelfer auffrischen. Das stand nun wieder an. Also wird der Termin im Arbeitsplan entsprechend eingeplant und alle Ersthelfer der Firma finden sich Montag früh zu dem ganztägigen Kurs im Tagungsraum ein. Wer nicht erscheint, ist der Seminarleiter. Erst nach Rücksprache der von der Firma beschäftigten Krankenschwester, die den Kurs organisiert hat, erhielt sie die Auskunft, dass dem externen Referenten "was dazwischen gekommen" sei. Da ist man sprachlos! Termine und Pünktlichkeit ... ist das denn inzwischen eine gänzlich vergessene Tugend? Darf man heute so mit der Arbeits- oder Freizeit anderer umspringen?

Geht es Ihnen eigentlich genauso? Oder sind wir da ein Einzelfall? Vielleicht mögen Sie mir ja von Ihren Erfahrungen berichten. Nur zu ...

Mittwoch, 21. Januar 2015

Mein Hund hat Krebs und jetzt?


Tja, auch ein Tierarzthund ist leider nicht davor gefeit, krank zu werden, und auch die richtig ernsten Krankheiten machen nicht halt vor der Praxistür: Mein Hund hat Krebs, genauer gesagt ein sog. "multizentrisches Lymphom". Was ist das, fragen Sie sich jetzt sicher? Nun, das ist vereinfacht ausgedrückt eine Krebserkrankung der Lymphknoten. Die weißen Blutkörperchen in den Lymphknoten entarten und vermehren sich unwillkürlich. Multizentrisch heisst es deshalb, weil die Erkrankung das gesamte Lymphknotensystem betrifft, obwohl oft erstmal nur ein einzelner Lymphknoten vergrößert erscheint. Lymphknoten gibt es fast überall im Körper, am Hals, im Hals, an der Lunge, am Darm, zwischen Muskelbäuchen etc. Und weiteres Lymphgewebe im Rachen, im Darm uvm. Das Lymphom ist sehr ernst, denn wenn es nicht schnellstens mit einer effektiven Chemotherapie behandelt wird, hat der Hundepatient nur noch durchschnittlich (tja, es ist wie so häufig alles eine Frage von Statistik) 4 Wochen zu leben, bis der Krebs ihn so geschwächt hat, oder die Atmung, Verdauung o.Ä. behindert, dass er eingeschläfert werden muss. Es gilt also, schnellstens zu handeln.

Bei unserem "Jockel" ist die Erkrankung hochwahrscheinlich ein familiäres Problem, denn einer seiner Brüder ist im letzten Jahr an derselben Erkrankung gestorben. Aus diesem Grund habe ich Jockels Lymphknoten auch seither alle 2 Wochen durchgetastet, um Veränderungen möglichst früh zu bemerken, was sich jetzt als richtig erwiesen hat.

Aber wie kam es zu der Diagnose:
Letzten Montag habe ich beim Baden links am Hals (ungefähr da, wo der Kehlkopf sitzt) eine Zubildung gefühlt. Gleich war ich alarmiert und am nächsten Morgen haben wir die Zubildung mit Ultraschall untersucht und eine kleine Zellprobe daraus entnommen, das nennt man eine "Feinnadelaspiration" bei vielen Zubildungen kann der Zytologe aus diesen wenigen Zellen, die man mit einer feinen Kanüle aus der Zubildung herauszieht (was übrigens ohne Narkose geht) sagen, um welche Art von Wucherung es sich handelt. So auch hier - am Mittwoch war der Befund schwarz auf weiß da: Lymphom!

So harmlos sieht ein lebensgefährlicher Tumor aus
Sofort habe ich bei den ehemaligen Kollegen in der Inneren Abteilung der Klinik für Kleintiere einen Termin gemacht und bis dahin schonmal eine eingehende Blutuntersuchung durchgeführt. Dabei geht es darum, herauszufinden, inwieweit innere Organe bereits durch den Krebs befallen sind. Es kommt zum Beispiel häufiger vor, dass die Blutbildung im Knochenmark beeinträchtigt ist, aber auch Organschäden in Leber, Niere etc. sind möglich. Da bei Jockel in den letzten Tagen auch ein etwas stärkerer Durst aufgefallen war, haben wir auch den Urin untersucht und weitere Tests im Blut durchgeführt. So einen stärkeren Durst nennt man Polydipsie/Polyurie (mehr Trinken/mehr Urin) und das ist generell ein absolutes Alarmzeichen. Es kann Hinweis sein auf Diabetes, auf Hormonerkrankungen (z.B. Morbus Cushing), auf Hyperkalzämie (Begleitphänomen bei manchen Krebserkrankungen), Entzündungen im Körper uvm. Erfreulicherweise sind dort keine weiteren Auffälligkeiten zu bemerken gewesen.

Dem kleinen Kerl geht es indes gut, er wirkt völlig normal wie immer. Als Besitzer steht man aber da und ist wie vor den Kopf geschlagen. Krebs kommt mir immer wieder vor wie ein Meteoriteneinschlag. Eben war noch alles in Ordnung und von einem Moment zum nächsten ist alles Chaos und Trauer. Auch in meiner Familie waren wir alle unglaublich traurig, denn unser Jockelchen ist doch erst 9 Jahre alt und bei Westies kann man schon von einer höheren Lebenserwartung ausgehen. Doch was hilft alles Jammern - jetzt ist ein kühler Kopf gefragt. "Kopf in den Sand stecken" gilt nicht.

Am Freitag hatte ich meinen Termin bei der für onkologische (Krebs-) Patienten zuständigen Kollegin in der Uni Giessen. Den Ausflug nach Giessen fand unser kleiner Liebling ganz toll, im Wartezimmer hat er zwei neue Hundefreunde kennengelernt, das ganze Gelände duftete ganz toll - er musste alle 3 Meter das Beinchen heben - und auch die beiden Kolleginnnen, die sich um ihn kümmerten, fand er gleich voll sympathisch. In der Klinik wurde Jockel nochmal gründlich untersucht, auch die Kollegin konnte keine weiteren Probleme aufdecken, die Urin- und Blutuntersuchungen wurden geprüft und dann haben wir die Möglichkeiten einer Chemotherapie durchgesprochen.

In der Praxis haben wir schon gelegentlich Patienten, die entweder an der Uni Giessen oder in der privaten Tierklinik in Hofheim Chemotherapien erhalten. Wir sind es durchaus gewohnt, die immer vorher notwendigen Blutbildtests vorzunehmen und Kontrolluntersuchungen  vorzunehmen. Die eigentliche Chemotherapie überlassen wir dabei allerdings den Spezialisten, denn Krebs hat ganz unterschiedliche Erscheinungen und genauso unterschiedlich sind die Möglichkeiten (OP, Bestrahlung, verschiedenste Medikamente im Rahmen von Chemotherapien). Da ist viel Erfahrung und eine Menge spezielles Know-How erforderlich, um für jeden Patienten die richtige Therapie zu empfehlen.


Da war noch alles ok
So konnte es dann gleich losgehen. Jockel bekam über einen Venenkatheter das erste Medikament direkt in die Blutbahn und gleich ein zweites unter die Haut gespritzt. Außerdem bekommt er noch täglich Kortison-Tabletten und einen Magenschutz. Oh Gott, eine Chemotherapie, der arme Hund, denken Sie jetzt vielleicht. Da leidet er ja unnötig. Das stimmt so natürlich nicht. Niemals würde ich meinem Hund unnötige Leiden zufügen. Natürlich können Chemotherapiemedikamente auch Nebenwirkungen haben. Zumeist vertragen Hunde eine Chemotherapie aber dtl. besser als wir Menschen. Jockel bekommt eine sog. modifizierte Chemotherapie nach dem "Madison-Wisconsin-Protokoll". Das ist eine Kombination mehrerer verschiedener Wirkstoffe. Die Kur wird voraussichtlich 25 Wochen dauern und wir hoffen jetzt, dass er alles gut verträgt und die Chemo gut anschlägt. In den ersten Tagen nach der ersten Chemo ging es ihm jedenfalls supergut, und man fühlt auch schon, dass der "Monster-Lymphknoten" sich zurückbildet. Natürlich kann es immer noch sein, dass er ein Medikament nicht verträgt und wir die Chemo abbrechen müssen, aber einen Versuch ist es allemal wert. Unter Therapie liegt die mittl. Überlebenszeit (bei GUTEM Allgemeinbefinden) nämlich bei 1 Jahr, rel. häufig sogar bei 2 Jahren und in Einzelfällen sogar bei bis zu 4 Jahren. Wenn das kein lohnendes Ziel ist! Eine Garantie kann einem natürlich niemand geben.

Eine harmlose Nebenwirkung der Chemotherapie, und zwar genauer gesagt des in der Kombination enthalten Cortisons, haben wir dann aber doch schon bemerkt. Am Samstag Abend saß die Familie vor dem Fernseher und hat einen Film auf DVD geschaut. Jockel lag neben mir auf dem Sofa und war auf der Seite liegend eingeschlafen, während ich seinen Bauch kraulte. Auf einmal wurde es merkwürdig warm und nass an meinem linken Oberschenkel. Tja, da hatte er im Schlaf den Urin einfach laufen lassen. Cortison macht nämlich einen ungeheuren Durst und da ist die Blase im Null-Komma-Nix prallvoll, entsprechend muss der Patient sehr viel häufiger mal raus. Wäre auch nicht so wild, wenn er nicht so tief und entspannt geschlafen hätte ;-) In all dem Unglück Grund genug für uns alle, mal herzhaft zu lachen, geschimpft hat natürlich keiner, er konnte ja nichts dafür. Zum Glück ist das Sofa ein Ledersofa, und so war der Schaden schnell behoben. Ich habe mich umgezogen und der Hund sich im Hof nochmal entleert, und dann konnten wir weiterschauen.

Und das ist auch genau das war wir jetzt tun werden: schauen wir mal, wie er die Therapie verträgt und hoffen wir das Beste für ihn. Ich halte Sie auf dem Laufenden.

Mai 2015 - Aktuelle Info - wie geht es?  

Inzwischen läuft die Chemotherapie seit 17 Wochen und ich kann folgendes berichten: Erstmal die Antwort auf die Frage "Wie geht es Ihrem Hund?" nämlich das, was mich die Meisten fragen: "SEHR GUT, ist die Antwort!"

Zur Verträglichkeit kann ich erzählen, dass er in den allerersten Wochen an den ersten Tagen nach der Chemo etwas müder war, und auch zweimal brechen musste, das war aber mit einem Anti-Brechmittel gut zu kontrollieren und er hat auch weiter gefressen. Als Nebeneffekt der Chemo hatte er durch die Suppression (Hemmung der Aktivität) des Knochenmarks in den ersten Wochen eine leichte Blutarmut und es kam auch zum Absinken der Entzündungszellen. Seine neutrophilen Entzündungszellen waren aber glücklicherweise immer im Normbereich, wenn auch im unteren. Wenn die zu stark sinken (sog. Neutropenie) ist das Immunsystem nämlich zu stark geschwächt und der Patient wäre für jegliche Infektion zu anfällig, daher muss dann die Therapie unterbrochen werden, bis die Werte wieder in einem akzeptablen Bereich liegen, was sich dann negativ auf den Behandlungserfolg auswirken kann. Seit vielen Wochen aber sind die Anfangsprobleme nun vorüber und er verträgt alles super! Man merkt ihm nun gar nichts mehr an und auch die 1100 Gramm Gewichtsverlust vom Anfang hat er lange wieder aufgeholt.


Die erkrankten Lymphknoten haben sich unter der Behandlung völlig zurückgebildet und wir sind jetzt berechtigt guter Hoffnung, dass das lange Zeit auch so bleiben wird.  Das ist übrigens leider nicht immer der Fall. Ein Patient der mit uns zusammen die Behandlung angefangen hat musste bereits mehrmals pausieren, weil seine neutrophilen Entzündungszellen zu niedrig waren und er hat auch nur eine unvollständige Rückbildung der Lymphknoten erreicht. Das Allgemeinbefinden des Patienten ist aber auch sehr gut und inzwischen verträgt sein Immunsystem die Medikamente nun auch besser, so dass die Behandlung nun wieder "nach Plan" erfolgen kann. Bei nur vier Wochen durchschnittlicher Lebenswerwartung nach Diagnose ohne Behandlung, sind wir jedenfalls beide schon gut im Plus - wir haben schon drei ganze Monate gewonnen! Auch die Besitzer des anderen Patienten werten die Behandlung als lohnend, wenn sie auch leider sehr teuer ist.

Eine kleine Nebenwirkung ist aber doch noch zu bemerken: der Bart ist ab, unser Hund hat einen völlig neuen Look, denn er hat Haarausfall! Westies gehören ja zu den Rassen, deren Fell ständig wächst und daher ja auch regelmäßig geschoren oder getrimmt wird. Bei vielen Hunderassen ist das Haar ja immer gleichbleibend lang! Diese haben auch kaum Probleme mit Chemotherapie bedingtem Haarausfall, deren Fell wird nur insgesamt etwas schütterer, und langer Behang z.B. am Schwanz wird kürzer. Bei Jockel aber ist nun besonders am Kopf und Hals, an den Beinen und am Schwanz das lange Fell komplett aufgefallen und er trägt jetzt eine sommerliche Kurzhaarfrisur. Dadurch hat sich der Gesichtsausdruck völlig verändert, er schaut jetzt aus wie ein Mini-Schäferhund. Das war für die ganze Familie schon etwas gewöhnungsbedürftig. Und neu war auch, dass er jetzt überhaupt haart, was diese Rasse normalerweise ja auch so gar nicht tut, also nach dem Kuscheln Klamotten enthaaren, Sofa absaugen ..., aber das st natürlich völlig nebensächlich, denn unser Liebling lebt und das sehr fröhlich. Das Ganze hängt übrigens daran, dass das Haar in der Wachtumsphase (sog. telogene Phase) sensibel auf Chemotherapiemedikamente reagiert und eben ausfällt (sog. telogenes Effluvium), das kennen wir ja von menschlichen Chemotherapien.
So sah er im Januar 2015 aus ...

... und so im Mai 2015! Neuer Look - der Bart ist ab!
Jetzt geht die Therapie erstmal noch bis zur Woche 25 und dann ist Pause angesagt. Weitere Infos folgen...