Montag, 10. Juni 2013

Tierisches und sonstiges Zahnweh

Meine Zahnpasta spricht mit mir! Ihre auch?

sprechende Zahnpastatube
Seit Neuestem steht auf meiner Zahnpasta ein Spruch, der mich zum Nachdenken gebracht hat:  

"Pflege Deinen Mund, damit er gesund und glücklich bleibt".

Nett, meine Zahnpasta spricht mit mir, sie duzt mich sogar, und Recht hat sie dabei auch noch. Und wie! Ich würde sogar soweit gehen, dass es eigentlich heißen sollte: "... damit DU gesund und glücklich bleibst." Denn wer schonmal Zahnweh hatte, oder gar einen entzündeten Zahn, der weiß, dass man damit überhaupt nicht gesund und auch kein bißchen glücklich ist.


Meine liebe Helferin z.B. hatte letzte Woche schlimme Zahnschmerzen. Sie sah ganz blaß aus und wirkte so gar nicht glücklich. Ansonsten hat sie aber versucht, das zu verdrängen und hat tapfer gearbeitet, ihre Kinder versorgt und ihren Haushalt geschmissen. Klar hat sie auch mal gesagt, dass sie Zahnweh hat und sich schleunigst um einen Termin beim hiesigen Zahnarzt gekümmert, aber im Großen und Ganzen hat sie "funktioniert". Gut übrigens, dass sie das mit dem Termin selbst machen kann, und dass sie sich dann auch mitteilen kann. So kann sie z.B. dem Zahnarzt genau sagen, welcher Zahn sie zwickt.

Aber ... wie ist das eigentlich, wenn Tiere Zahnweh haben? Die können ja nicht sprechen. Beim Zahnarzt anrufen geht auch nicht. Wie teilen die sich mit? Jaulen die dann, oder stöhnen sie die ganze Zeit? Fressen oder kauen sie nicht, weil es weh tut?

JEIN! Oft höre ich in der Praxis erstaunte Besitzer, denen ich gerade bei ihrem Hund einen dick vereiterten Zahn oder bei ihrer Katze einen durch FORL völlig zerstörten Zahn gezeigt habe, sagen: "... aber Schmerzen kann Wuffi/Miezi keine haben. Er hat gar nicht gejault! Und sie frisst auch noch." DOCH, er/sie kann es nur nicht äußern.
 
gar nicht so selten, völlig vereiterte Zahnfächer

äußerst schmerzhaft FORL - Loch am Zahnhals einer Katze

Oder die Meerschweinchen- oder Kaninchen-Besitzer mit den mageren Tieren, bei denen einem beim Hochklappen der Oberlippe viel zu lange Schneidezähne entgegenspringen, oder bei denen die Backenzähne lange Haken gebildet haben, die in die Backe oder die Zunge einbeißen. Auch sie beteuern oft: "... aber es hat doch ganz normal gefressen." Das kann dann aber nicht so ganz sein, denn mit den Zähnen konnte es garantiert die letzten Wochen schon nur weniger fressen. Es ging vermutlich ganz normal zum Futter, denn Hunger hat es ja, und wie! Nur rein mechanisch klappt das mit dem Abbeißen und Kleinmalen des Futters dann nicht so recht. Die Tiere brauchen einfach länger, um zu fressen, und irgendwann geht dann gar nichts mehr. Auch hier gilt: es kann halt nicht sprechen.

schmerzhafte Sache: Backenzahnhaken die in die Wange pieken
Lautäußerungen wie Jaulen sind bei Zahnschmerzen äußerst selten, es sei denn, der Hund beißt gerade herzhaft genau mit dem wehen Zahn auf etwas drauf. Zahnweh ist ein chronisches Problem, das sich i.d.R. langsam entwickelt. Jaulen ist ein Zeichen eines heftigen, akuten Schmerzes, z.B. wenn Sie Ihrem Hund auf den Schwanz treten, wird er aufjaulen. Er hat einen kurzen stechenden Schmerz empfunden, und sich dabei auch noch erschreckt. Langanhaltende Laute wie Stöhnen oder langgezogenes Jaulen sind sehr selten, sie sind eher ein Zeichen von neurologischen Problemen, oder Nachwirkung einer Narkose, ein Zeichen von Unwohlsein, oder Unglücklichsein (z.B. läufige Hündin in der Nähe und der Rüde singt), oder allenfalls Organschmerzen. Organschmerzen führen aber meist eher zu übergroßer Ruhe als zu Lauten. Nicht fressen kann gut sein. Ich sehe aber meistens schlimme Zähne und die Tiere haben aber doch noch gefressen. Das liegt daran, dass Hunde und Katzen ja nicht dumm sind. Wenn ihnen z.B. rechts oben ein Zahn weh tut, dann kauen sie halt links. Das fällt dann u.U. schon mal auf, dass der Hund in letzter Zeit die Kauknochen immer nach links schiebt. Fressen ist elementar. Wer nicht frisst, stirbt, das weiß auch jedes Tier, also versuchen sie das, solange es nur irgend geht. Bei Katzen gibt es oft häßliche Löcher im Zahn (FORL genannt - "Feline Odontoklastisch Resorptive Läsion"), die bis tief auf den Nerv reichen. Diese Katzen gehen dann meist noch zum Futter, sie kauen wie gesagt oft einseitig, oder sie nehmen Futter ins Maul und fauchen dann kurz und gehen wieder weg. Dann hat etwas Futter an dem Loch geklebt und sie dürften ungefähr den Effekt haben, wie wenn wir Karies haben und ein Eis essen. Das sticht und zieht dann schon mal "hunds"-erbärmlich. 

Bei Kaninchen und Meerschweinchen und den kleinen Nagerchen ist noch weniger mit Lauten zu rechnen, die leiden still in sich hinein. Erstmal merkt man aber gar nichts, denn als unterstes Glied in der Nahrungskette wissen sie, dass ein Zeichen von Schwäche zu zeigen den Tod als Beutetier bedeuten kann. Später wenn die Krankheit fortschreitet, sieht man ihnen u.U. dann das Leiden an. Sie sitzen so etwas zusammengekauert, sind weniger aktiv. Sie fressen weniger, gehen vielleicht kaum noch zum Futter, dann haben sie sich selbst aufgegeben. Jetzt ist das "weniger fressen" leider auch nicht so einfach festzustellen. Denn wer wiegt schon täglich die Futtermenge samt Heu, Pellets und Gemüse ab, und dann fragt sich noch, wenn mehrere Tiere zusammenleben, wer hat denn hier wieviel gefressen? Bei Zahnweh wird erstmal weniger gefuttert, erst wenn es gar nicht mehr geht, gar nichts. Tiere, die unter chronischen Zahnproblemen leiden, lassen wir deshalb mind. wöchentlich wiegen, da sieht man schnell, ob etwas im Busche ist, und kann rechtzeitig reagieren.

Wie wichtig aber gesunde Zähne für das Allgemeinbefinden und die ganze Gesundheit eines Tieres sind, sieht man daran, dass z.B. die Bakterien, die im Zahnstein sitzen, gerne innere Organe befallen. Es gilt: wenn es aus dem Maul faulig riecht, sind da Bakterien am Werke und die tun GAR NICHT gut. Chronische Nierenleiden, Herzklappenendokardosen u.v.m. sind oft durch sie ausgelöst. Zur Zeit haben wir eine Katze in Behandlung, bei der zwei vereiterte Backenzähne sogar zum Nierenversagen geführt haben. Nach vier Tagen Infusionsbehandlung scheint es endlich bergauf zu gehen. Wir hoffen, dass sie keine größere Dauerschädigung der Nieren zurückbehält. Kürzlich hatte ich im Vertretungsdienst eine Dogge mit Fieber, wegen mindestens eines vereiterten Eckzahns. Ja, sogar eine Blutvergiftung (Sepsis) ist gar nicht mal so selten. Meist sind die Tiere aber einfach etwas ruhiger als früher, da die Eiterbakterien den Gesamtorganismus belasten. Es lohnt sich also immer mal, einen Blick ins Maul zu werfen. Im Zweifelsfall kann Ihnen Ihr Tierarzt weiterhelfen, ob das so noch okay ist, oder etwas unternommen werden muss.

Auch der 18-jährige Mix konnte dann wieder kraftvoll zubeißen
Etwas mißlich ist, dass man bei den Haustieren leider generell eine Narkose für Zahn-OPs braucht, aber wenn die mit Bedacht gewählt wird, der Patient bei bekannten Problemen evtl. vorbereitet wird (durch Antibiose oder Infusionen ...), dann klappt das i.d.R. super. Bei uns ist bisher noch nie ein Zahnpatient in der Narkose geblieben, und sei er noch so alt oder noch so krank gewesen.
Natürlich ist es statistisch schon riskanter, bei einem 17-jährigen, herzkranken Dackel mit vereiterten Zähnen eine Narkose zu machen, als bei einem jungen gesunden Tier, aber auch das geht durchaus, und ernste Narkoseprobleme sind äußerst selten. Und glauben Sie mir, Ihr Dackel wird Ihnen SEHR dankbar sein, denn er hat hinterher 1. keine Schmerzen mehr, 2. nicht mehr den ekligen Eitergeschmack im Maul und 3. seine Organe können sich von der andauernden Keimbelastung erholen. Oft sind diese "er-ist-schon-so-alt-und-ganz-schlapp"-Patienten hinterher sogar wieder VIEL agiler. Da haben wir hinterher schon oft erstaunte Besitzer gehört, die sagten: "Ich hatte ja so eine Angst vor der Narkose, aber wenn ich geahnt hätte, wie viel fitter Waldi hinterher ist, wäre ich schon viel früher gekommen".

Übrigens: Meine Helferin ist, seit der Zahn behandelt ist, schmerzfrei und auch sie ist wieder zu Späßen aufgelegt und viel fröhlicher :-)

Es gibt nichts schöneres, als wenn der Schmerz nachlässt.

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